Eine Dystopie mit Hoffnungsschimmer

Wir schreiben das Jahr 2070: Angesichts der rasanten Entwicklung künstlicher Intelligenz sind große Teile der Weltbevölkerung arbeits- und obdachlos. Asiatische und afrikanische Länder werden, bedingt durch den Klimawandel, von Naturkatastrophen heimgesucht. Internationale Konflikte um das Wasser der Antarktis spitzen sich zu. Weltweites Wettrüsten und die Entwicklung immer neuer Massenvernichtungswaffen bewirken, dass Angst vor einem weiteren Weltkrieg um sich greift.

Inmitten des sich ausbreitenden Chaos triumphiert die Firma N.T.I.: Ihre Aktien gewinnen dank eines neuen Raketenabwehrsystems für die Vereinigten Arabischen Emirate immer weiter an Wert. Die Tatsache, dass auf künstlicher Intelligenz basierende Programme immer mehr Aufgaben selbstständig übernehmen können, wirkt sich denkbar ungünstig auf die noch verbliebenen Mitarbeiter der Firma N.T.I. aus: Sie sind für ihren Arbeitgeber nur noch Nummern ohne jegliche Rechte.

Dieses dystopische Zukunftsszenario ersonnen hat eine Schülergruppe aus der 9a des Stromberg-Gymnasiums – und es zum Inhalt des zehnminütigen Kurzfilms „A Step Back“ gemacht. Die Mühe hat sich gelohnt: Die baden-württembergische Jury des Bundeswettbewerbs Fremdsprachen hat das ambitionierte Werk aus rund 100 Einsendungen ausgewählt und mit einem ersten Landespreis gewürdigt. Nun macht sich die Schülergruppe daran, auch die Bundesjury von ihrer Arbeit zu überzeugen. Die Chance dazu bekommt sie beim Bundesfinale, das im Rahmen des „Sprachenfests“ vom 13. bis 15. Juni in Saarbrücken stattfindet.

Schon im vergangenen Jahr hatten Lennart Blasius, Bennet Borchardt, Erik Daubner, Paul Feist, Micha Maier, Batuhan Öztürk und Anian Ungerer beim Fremdsprachenwettbewerb der gemeinnützigen GmbH Bildung und Begabung reüssiert: Ihr Film „Money Is the Matter“ wurde mit einem zweiten Landespreis ausgezeichnet. Diesen Erfolg krönten sie beim Bundesfinale mit einem zweiten Bundespreis.

Das erklärte Ziel der Jugendlichen für 2024: Platz eins auf Landes- und auf Bundesebene. Die Nachwuchs-Cineasten gingen deshalb noch detailgetreuer zu Werke als im Vorjahr. So sorgten sie dieses Mal für eine bessere Tonqualität und bewirkten durch eine geschickte Kameraführung, dass das Stromberg-Gymnasium in den Innen- und Außenaufnahmen weniger an eine Schule als vielmehr an die Zentrale eines großen Konzerns erinnert. Zudem sollte die über den Inhalt vermittelte Botschaft noch mehr gesellschaftliche Relevanz aufweisen. Davon zeugt schon der Filmtitel „A Step Back“: Die Handlung entwickelt aus der Dystopie heraus einen eindringlichen Appell, den der bei N.T.I. beschäftigte Mitarbeiter 2070 formuliert. Mit den Revolutionären Tommy und Bruce entschließt er sich nach anfänglichem Zögern dazu, dem menschenverachtenden Treiben Einhalt zu gebieten. Heldenhaft widersteht er dem Bestechungsversuch des zynischen Firmenchefs und verkündet, es liege in der Verantwortung der Menschheit, den technischen Fortschritt verantwortungsvoll auszugestalten: „So maybe we should first take a step back.“ Spricht’s – und zieht dem N.T.I.-Konzern buchstäblich den Stecker.

Nachdem die Schüler mit dem Gewinn des ersten Landespreises bereits ihr erstes Ziel erreicht haben, ist beim Bundesfinale in Saarbrücken nun erneut ihre Kreativität gefragt. Ihre Aufgabe besteht nun darin, einen aussagekräftigen Teil des Films auszuwählen und vorzustellen. Ihre Präsentation soll sich aber nicht in der Zusammenfassung des Inhalts und im Erzählen der Entstehungsgeschichte erschöpfen, sondern die Neugierde der Zuschauer wecken. Möglich ist beispielsweise, eine zusätzliche Szene vorzuspielen, die nicht im Film enthalten ist und ihn ergänzt. Im Schlussteil der Präsentation warten dann noch Fragen der Bundesjury auf die jungen Filmemacher.

Mit etwas Glück erreichen die Jugendlichen am Samstag, dem letzten Tag des Sprachenfests, auch ihr zweites Ziel und bringen noch einen Bundespreis zurück nach Vaihingen. Es wäre nicht das erste Mal: Bereits 2022 war es einer Gruppe aus Schülerinnen des Stromberg-Gymnasiums geglückt, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesbene je einen ersten Preis zu gewinnen. Ihr Film „The New Kid“ handelte von Mobbing und Ausgrenzung einer Schülerin wegen ihrer sexuellen Orientierung. In diesem Jahr steht somit bereits zum dritten Mal in Folge eine Schülergruppe des Gymnasiums im Vaihinger Nebenweg im Bundesfinale des Fremdsprachenwettbewerbs.

Mit den Finalisten freuen sich auch die beiden Lehrkräfte Johanna Schaaf und Christoph Schüly, die das Projekt betreut haben und die Gruppe nun zum Sprachenfest in Saarbrücken begleiten. Auch Schulleiterin Katja Kranich ist voll des Lobes. Durch den erneuten Erfolg sieht sie auch das Differenzierungsangebot zur Begabungsförderung am Stromberg-Gymnasium bestätigt, in dessen Rahmen die Filme entstanden sind. Dabei erhalten Schülerinnen und Schüler Raum, interessengeleitet und ohne Notendruck in selbstgewählten Projekten ihre Stärken zu vertiefen. „Der erste Landespreis beim Bundeswettbewerb Fremdsprachen zeigt eindrucksvoll, was entstehen kann, wenn man jungen Menschen den Freiraum gibt, in Eigenregie ihre Stärken weiterzuentwickeln“, sagt die Schulleiterin. Und wünscht den Neuntklässlern natürlich: „Viel Erfolg beim Finale.“

Info: Der Bundeswettbewerb Fremdsprachen wird seit 1979 jährlich von der gemeinnützigen GmbH Bildung und Begabung ausgeschrieben und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Aufgabe in der Kategorie „Team Schule“ besteht darin, einen selbst erstellten Film oder ein Hörspiel von maximal zehn Minuten Länge in einer oder mehreren Fremdsprachen einzusenden. Thematisch bestehen keine Grenzen.

Bericht und Foto: Sy