Neue Freundschaften und bleibende Erinnerungen

Ein buntes Gemisch an Sprachen, Erzählungen und Eindrücken begleitete an einem Montag im Juli die Ankunft der 20 Schülerinnen und Schüler des St John’s Community College in Marlborough, einer Ortschaft etwa 100 Kilometer westlich von London, und zweier Lehrerinnen. Schon seit Wochen hatten sich ihre Austauschpartnerinnen und Austauschpartner vom Stromberg-Gymnasium in Vaihingen auf den Besuch gefreut und sich bei der Planung für die gemeinsame Woche geradezu überschlagen. Schließlich wollten sie den englischen Schülerinnen und Schülern einen ebenso wunderschönen Aufenthalt in Deutschland bereiten, wie sie ihn bereits im März in Marlborough erleben durften. Das lautstarke Wiedersehen am Bahnhof in Vaihingen zeigte einmal mehr, wie eng die Freundschaften mittlerweile schon geworden waren.

Obwohl sie bereits seit 4 Uhr morgens unterwegs gewesen waren, widmeten sich die englischen Schülerinnen und Schüler zu Beginn der Woche ausgeruht und mit Entdeckergeist einer Stadtrallye in Vaihingen, um mehr über ihre Partnerstadt zu erfahren. Trotz der heißen Temperaturen, die einige Lagen Sonnencreme erforderten, erkundeten sie die Altstadt und kamen danach in den Genuss der deutschen Küche. Klare Favoriten: der deutsche Döner und Backwaren aller Art.

Auch während sie am Stromberg-Gymnasium den Unterricht besuchten, wurden die Engländer rege gefordert. Ob Interviews oder Quizfragen zur Zielkultur Großbritannien, sie machten bei allem mit. Diese Unterstützung freute nicht nur die Englischlehrkräfte, auch die deutschen Schülerinnen und Schüler waren begeistert, ihre Kenntnisse endlich mal an echten Engländern ausprobieren zu können. Überrascht waren sie allerdings vom „incredibly early start“ am Stromberg-Gymnasium. Während der Unterricht in Marlborough um 09:00 Uhr langsam anläuft, war der frühe Beginn um 07:30 Uhr für die englischen Schülerinnen und Schüler – gelinde gesagt – gewöhnungsbedürftig. Allerdings war die Freiheit, in eigenen Klamotten zur Schule zu kommen, eine willkommene Abwechslung zur regulären Schuluniform.

Ein wenig mehr über die deutsche (Barock-)Kultur lernten die englischen Schülerinnen und Schüler im prachtvollen Ludwigsburger Schloss kennen. So erhielten sie durch die englische Führung nicht nur einen Einblick in die Relevanz des Schlosses für die Entstehung der Stadt Ludwigsburg, sondern erfuhren auch einiges über „Partykönig“ Karl Eugen und seine – gerüchteweise – zahlreiche Nachkommenschaft.

Höhepunkt des Besuchs in Deutschland war der gemeinsame Ausflug von allen Schülerinnen und Schülern des Austauschs in die „Experimenta“ nach Heilbronn. Über mehrere Etagen testeten die Schüler gemeinsam ihr Wissen in den zahlreichen Themenbereichen des Science Centers. Ob optische Simulationen, das Kreieren von eigenen Technikmodellen oder ein Um-die-Wette-Schleichen mit Ninjas, es war für jeden etwas dabei. Ausgehungert vom gemeinsamen Experimentieren steuerten sie schließlich auf die Stadtmitte zu. Freizeit zum eigenen Erkunden, Shoppen und Schlemmen gehörte natürlich ebenfalls zum Abschluss eines erfolgreichen Ausflugtages, denn am Ende zählt doch die gemeinsame Zeit mit den Austauschpartnern am meisten, sie verfliegt oft viel zu schnell.

Das Wochenende verbrachten die Austauschschüler traditionellerweise gemeinsam mit ihren Gastfamilien. Viele Gruppen schlossen sich zusammen und zeigten den Engländern einige beliebte Ausflugsziele Baden-Württembergs und der Region, wie die Landeshauptstadt mit Porsche-Museum, die Universitätsstadt Heidelberg oder den Freizeitpark Tripsdrill. Jedoch rasten auch diese Tage viel zu schnell vorbei und die Verabschiedung nach einer Woche Rückaustausch verlief tränenreich und mit einigen Plänen des Wiedersehens in den kommenden Sommerferien.

Schon seit Beginn des Schuljahres hatten sich mehrere Lehrkräfte des Stromberg-Gymnasiums mit Feuereifer in die Planung des Austauschs mit der langjährigen Partnerschule in Marlborough gestürzt. Schließlich konnte die Partnerschaft pandemiebedingt seit Frühjahr 2020 ausschließlich virtuell oder per Brief aufrechterhalten werden. Aber auch die englischen Lehrkräfte am St John’s Community College hatten sich bereits im Vorfeld stark engagiert und beispielsweise bei der Zuteilung der Austauschpartner viel Fingerspitzengefühl bewiesen. Deshalb wirkte es im März nach der Ankunft der Vaihinger Schülerinnen und Schüler in Marlborough schnell so, als kenne man sich schon lange. Doch nicht nur die neu geschlossenen Freundschaften schienen schnell vertraut zu sein, auch im St John’s Community College fühlten sich die Teilnehmenden rasch wohl.

Dies wurde auch in den folgenden Tagen deutlich, an denen extra für die deutschen Austauschschüler spezielle Unterrichtsstunden gehalten wurden. So probierte man sich im Kunstatelier an der Pop Art Andy Warhols und kreierte kunstvolle Bilder von John Lennon, lernte neue Basketballtechniken im Sportunterricht oder konnte sich in der Bibliothek durch Stationen zu klassisch englischer Kinder- und Jugendbuchliteratur rätseln, die von den hauseigenen Bibliothekarinnen liebevoll zusammengestellt worden waren. Was die Schüler zudem begeisterte, war das für sie neuartige Stundenkonzept. Ein typischer Schultag in England begann um 09:00 Uhr, enthielt ca. fünf Zeitstunden und endete inklusive Mittagspause spätestens um 15:00 Uhr nachmittags. Für die deutschen Schüler, die einen frühen Beginn und regelmäßige Mittagschule bis zum frühen Abend kennen, eine willkommene Abwechslung.

Nach wenigen Tagen schon Experten in der englischen Schulkultur, konnten sie ihr Wissen beim gemeinsamen Ausflug nach Bath in der Grafschaft Somerset im Südwesten Englands auch geschichtlich erweitern. Dank der natürlichen heißen Quellen gewann Bath schon zu römischen Zeiten an großer Beliebtheit, wovon die heute noch erhaltenen römischen Bäder zeugen. Schon damals war das heilende Wasser mit hohem Schwefelanteil gefragt und Bath bot durch die modern angelegten Bäder und Räume mit eingebauter Fußbodenheizung einen luxuriösen Kurort, was die Schülerinnen und Schüler in der Führung durch die Bäder aus erster Hand erfahren konnten. Das Heilwasser war allerdings nicht ganz nach ihrem Geschmack.

Nach zahlreichen Ausflügen mit den Gastfamilien am Wochenende, zum Beispiel in die Hauptstadt London, winkte den Vaihinger Schülerinnen und Schülern noch ein zusätzlicher Tag in Großbritannien: Der deutschlandweite Generalstreik hatte ausgerechnet den Heimreisetag getroffen. Statt im Flugzeug verbrachten die deutschen Schüler diesen Tag am Steinkreis in Avebury, Weltkulturerbe der UNESCO. Ähnlich dem bekannteren Stonehenge wurde Avebury vor mehr als 4500 Jahren errichtet und zählt damit zu den prähistorisch bedeutendsten Funden Englands. Doch auch dieser (geschenkte) Tag ging schnell vorüber und der tränenreiche Abschied nach gut einer Woche des Zusammenlebens und Sammelns von gemeinsamen Erfahrungen konnte nur durch die Aussicht auf das baldige Wiedersehen im Juli überstanden werden.

Nachdem dieses Wiedersehen nun auch schon wieder der Vergangenheit angehört, bleibt die Vorfreude auf die geplanten privaten Besuche in den Ferien. Ob im kühleren Südwesten Englands oder im wärmeren Südwesten Deutschlands – Gelegenheit zur Stärkung des interkulturellen Verständnisses und der fremdsprachlichen Kompetenz wird es hier wie dort geben. Und am wichtigsten: zur Pflege der noch jungen Freundschaften.

Bildunterschrift: Die Schülerinnen und Schüler des St John’s Community College in Marlborough mit ihren beiden Lehrerinnen auf dem Vaihinger Marktplatz.

Bericht: Hä