Den Krieg aus der Sicht eines Kindes erlebt

Die ungeheure Kraft der Bilder, durch die Erzähltes noch weitaus mehr an Tiefe und Eindrücklichkeit gewinnt, erlebten die 50 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 10 des Stromberg-Gymnasiums bei ihrem Besuch im französischen Schulkino Cinéfête Mitte Mai in Ludwigsburg. Nach einer Einführung im Unterricht besuchten sie dort eine Vorstellung des französischen Films Petit Pays (2020), der auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman von Gaël Faye, erschienen 2016, zurückgeht.

Thematisiert wird das Leben des 10jährigen Gaby, der mit seiner jüngeren Schwester in den 1990er-Jahren in dem kleinen zentralafrikanischen Land Burundi als Sohn eines französischen Bauunternehmers und einer aus Ruanda stammenden Mutter aufwächst und zunächst eine unbeschwerte Kindheit verbringt, inmitten paradiesischer Natur und umgeben von Freunden und Familie. Mit den im Jahr 1993 beginnenden Unruhen in Burundi sowie im Nachbarland Ruanda bricht diese heile Welt auseinander. Gabys Mutter muss fliehen, denn als Tutsi ist sie Teil einer Minderheit und in Gefahr. Und auch die Kinder selbst müssen erleben, wie plötzlich aufsteigende ethnische Ressentiments Freundschaften zerstören und Nachbarn gegeneinander aufbringen. Gabys eigene Familie zerbricht ebenfalls, seine Mutter verliert den Verstand, nachdem sie im benachbarten Ruanda unvorstellbare Greueltaten an ihrer Familie mitansehen musste, Gaby selbst flieht mit seiner Schwester nach Frankreich, der Vater stirbt, wie gegen Ende des Films zu erfahren ist, noch innerhalb der Unruhen Mitte der 1990er-Jahre. Erst zwanzig Jahre später kehrt Gaby in sein kleines Land zurück, das für ihn Heimat bedeutet und stellt sich seinen Erinnerungen, den schönen ebenso wie den schmerzlichen.

Tief beeindruckt zeigten sich die Schülerinnen und Schüler insbesondere von der authentischen und bildreichen Erzählweise des Filmes. Denn gerade durch die Perspektive eines Kindes, das unweigerlich mit in die großen und kleinen Konflikte der Erwachsenen hineingezogen wurde, wurde die darin enthaltene Absurdität und Brutalität noch greifbarer. Dass der Protagonist dennoch mit viel Liebe und Nostalgie an sein Heimatland zurückdenkt und auch eine Rückkehr wagt, bewegte die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten beim unterrichtlichen Nachgespräch ebenfalls. Und so bildeten bei der Nachbetrachtung auch eigene Kindheitserinnerungen sowie Momente und Begegnungen, die in schwierigen Lebenssituationen Kraft spenden können, wichtige Gesprächsanlässe in der Fremdsprache. Ein Schulvormittag also, der wirklich unter die Haut ging und zum Nachdenken anregte.

Bericht: Fö/Rü, Foto: Fö

Die Schülerinnen und Schüler der beiden zehnten Klassen vor der Filmvorstellung beim französischen Schulkino Cinéfête im Luna Lichtspieltheater Ludwigsburg.