Nicht nur, dass Friedrich Nietzsche ein Leben ohne Musik für einen „Irrtum“ hielt, er hat sie auch als „sozialste aller Künste“ bezeichnet. Thorsten Hohensee, Englisch- und Musiklehrer am Stromberg-Gymnasium, formuliert den gleichen Gedanken poetischer: „Musik wird erst interessant und zur Musik, wenn man sie anderen Leuten vorspielt.“ Das geradezu magische Empfinden, das entsteht, wenn Musik zur Musik wird, erlebte das Publikum im Foyer des Stromberg-Gymnasiums am vergangenen Sonntagvormittag hautnah. Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Kolleginnen und Kollegen hatten sich zu dieser ungewöhnlichen Zeit an der Schule eingefunden, um den Klängen des Musik-Leistungskurses zu lauschen. Für die Schülerinnen und Schüler des Stromberg-Gymnasiums und des Friedrich-Abel-Gymnasiums, die diesen Kurs besuchen, war die Aufführung eine Art Generalprobe: Die dargebotenen Stücke werden sie in Kürze im Rahmen des fachpraktischen Teils ihres Abiturs einer Prüfungskommission vorspielen.
Für ihre Matinee am Sonntagmorgen hatten sich die Muszierenden einen besonders schwungvollen Auftakt ausgedacht: Mit Klangröhren, so genannten „Boomwhackers“, ausgestattet zogen sie auf äußerst rhythmische Art und Weise durch die Sitzreihen hindurch ins Foyer ein. Auf der Bühne bewährte sich als erste Janine Hunt mit ihrer virtuosen Darbietung einer Klaviersonate aus dem Werk von Joseph Haydn. Mit dem freudigen, lebhaften Musikstück „Kumru“ des türkischen Pianisten und Komponisten Fazıl Say stellte sie anschließend erneut ihre große Musikalität, aber auch ihre Vielseitigkeit unter Beweis.
Für den nächsten musikalischen Höhepunkt sorgte Katharina Denk mit einem beschwingten und abwechslungsreichen Violinkonzert, bei dem sie auch die technisch anspruchsvollen Stellen scheinbar mühelos meisterte. Eduard Holzäpfel zog daraufhin das Publikum auf der Gitarre in seinen Bann: Bei seinem Musikstück spanischer Herkunft setzte er zarte, aber auch leidenschaftliche und rhythmische Akzente und schöpfte so das gesamte Klangspektrum seiner Gitarre bravourös aus.
An Holzäpfels rhythmische Akzente knüpfte Jonas Dohn mit insgesamt drei Stücken auf der Pauke und am Drumset nahtlos an. Als äußerst beeindruckend erwies sich dabei vor allem seine Improvisationskunst. Zudem wurde mancher Zuhörerin und manchem Zuhörer dank seiner temperamentvollen Darbietung erst bewusst, welch unterschiedliche Klänge ein Meister seines Fachs einem Schlagzeug entlocken kann.
Nach der Pause, in der die Jahrgangsstufe 2 eine wohlschmeckende Stärkung bereithielt, entführten die Musizierenden ihr Publikum in die Epoche des Barock. In einem Ensemblestück von Georg Philipp Telemann brillierten Amelie Bauer auf der Blockflöte, Katharina Denk und Ambrus Németh auf ihren Violinen, Janine Hunt am Klavier und Thorsten Hohensee auf der Oboe. Wie gut die Mitwirkenden aufeinander eingespielt waren, zeigte sich daran, wie sich ihre Instrumente klanglich gleichsam verschränkten, sich geradezu zu imitieren schienen und doch ihre ureigene Klangwelt zu keinem Zeitpunkt verleugneten. Noch ein wenig in der Epoche des Barock verweilen ließ Ambrus Németh die Zuhörenden mit einem klanglich höchst angenehmen Satz aus einer Violinsonate von Georg Friedrich Händel. Er beschloss seinen musikalischen Beitrag mit einem Satz aus einem Violinkonzert von Oskar Rieding, den er mit nuanciertem Spiel intonierte.
Mag das Instrument der Altblockflöte zunächst Assoziationen zu eher getragenen und schweren Klängen hervorrufen, so trat Amelie Bauer mit ihrer virtuosen Handhabung dieses Instruments den Gegenbeweis an. Mit der dritten Caprice der „12 Grands Caprices“ von Narcisse Bousquet hatte sie ein fröhliches Stück mit nachgerade kecken Passagen auf Lager und schuf so eine ganz eigene klangliche Atmosphäre.
Höchst atmosphärisch mutete auch die folgende Darbietung von Franziska Liebers an, die mit ihrem facettenreichen Sopran überzeugte und bewies, welch ein erhabenes Instrument die menschliche Stimme sein kann. Mit Andrew Lloyd Webbers „Love never dies“ entführte sie das Publikum in die Welt des gleichnamigen Musicals. In diesem und im folgenden Musikstück, „She’s Always a Woman“ von Billy Joel, ließ die Sopranistin durch mit sehr viel Liebe zum Detail erarbeitete Passagen aufhorchen.
Widmete sich Liebers ganz den großen Gefühlen, so war der nachfolgende Beitrag mit großem logistischem Aufwand verbunden. Niklas Beller hatte dafür eigens sein Marimbaphon, ein Instrument aus der Familie der Xylophone mit gigantischen Maßen, an die Schule transportiert und vor Ort aufgebaut. Die Mühe hatte sich gelohnt: Mit seinem sehr rhythmischen, differenzierten und sicheren Spiel reizte er sein Instrument klanglich aus und nahm das Publikum spielend für sich ein.
In Sachen Rhythmus stand ihm Eduard Holzäpfel in nichts nach. Nachdem er zuvor bereits auf der akustischen Gitarre überzeugt hatte, stöpselte er nun seine E-Gitarre ein und spielte das 2021 erschienene Stück „Solus“ der Death-Metal-Band First Fragment äußerst kraftvoll und temporeich.
Am Ende des Programms fanden sich zu Adeles „Skyfall“ aus dem gleichnamigen James-Bond-Film von 2012 alle Mitwirkenden nochmals auf der Bühne ein und begleiteten den Gesang von Franziska Liebers auf ihren Instrumenten, wobei sie durch ihr harmonisches Zusammenspiel bestachen. Damit sorgten sie nicht nur für einen gelungenen Schlusspunkt des Konzerts, sondern bewiesen auch eines: Entgegen der in Musikerkreisen verbreiteten Ansicht können gute Solisten sehr wohl auch ein hervorragendes Ensemble bilden.
Als bestes Omen für die nun bevorstehenden fachpraktischen Prüfungen kann sicher der anhaltende Applaus gewertet werden, der aufbrandete, nachdem der letzte Ton verklungen war. Denn das Publikum irrt bekanntlich nie.
Bericht: Hs/Sy; Fotos: Sy