Wie schlimm ist Tomatensuppe auf Sonnenblumen?

Ann-Sophie Fabritius (9b) und Marla Werr (9a) haben das Schulfinale des Wettbewerbs „Jugend debattiert“ am Stromberg-Gymnasium für sich entschieden. Besonders überzeugt zeigten sich die Jurorinnen von Ann-Sophies „sehr klarer, differenzierter Ausdrucksweise“ sowie ihrer Fähigkeit, auf Argumente der Gegenseite einzugehen und sie zu widerlegen. An Marlas Leistung lobte die Jury, bestehend aus den Deutschlehrerinnen Frau Pautz und Frau Jeck sowie der Schülerin Hanna-Maria Lang (Jahrgangsstufe 1), ihre präzise Argumentation sowie ihr Vermögen, die Debatte stets voranzubringen. Nächste Station für beide ist nun die Regionalqualifikation am 14. Februar am Ellental-Gymnasium in Bietigheim-Bissingen. Sollten sie auch hier als Siegerinnen hervorgehen, lockt einen Tag später das Regionalfinale.

Gegenstand der Schulfinaldebatte war ein Thema, das jüngst immer wieder die Schlagzeilen beherrschte, etwa am 14. Oktober 2022: Zwei Aktivistinnen hatten Tomatensuppe über Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ geschüttet. Ihr Ziel: Ihrer Forderung nach einem Ende der Öl- und Gasförderung mehr Nachdruck zu verleihen. Nicht immer sind die Motive derer, die Angriffe auf Kunstwerke verüben, so edel – oder überhaupt so klar: „Die kleine Meerjungfrau“ in Kopenhagen wurde bereits viele Male Opfer von Beschädigungen. So wurde ihr 1964 der Kopf abgesägt, 2003 wurde die Statue von ihrem Sockel ins Wasser gestoßen. Der Grund in vielen Fällen: Die reine Lust an der Zerstörung.

Mit diesen gut recherchierten Beispielen eröffnete Jovin Besserer (9c) die Debatte zu der Frage: „Sollen Angriffe auf Kunstwerke härter bestraft werden?“. Gemeinsam mit seinem Mitstreiter Mika Pfrommer (9b) sprach er sich klar dafür aus, Angriffe auf Kunstwerke strenger zu ahnden. Dabei betonte er insbesondere den abschreckenden Charakter von Strafen und ließ auch die teils hehren Absichten von Aktivistinnen und Aktivisten nicht als strafmildernd gelten. Auch Demonstrationen müssten „im rechtlichen Rahmen bleiben“. Dass auch friedliche Protestformen effektiv sein könnten, habe die „Fridays for Future“-Bewegung gezeigt.

Mika Pfrommer sieht die Grenzen des Demonstrationsrechts da, wo Sachbeschädigung beginnt. Auch er zeigte sich gut vorbereitet und sachkundig: Anhand einer Auflistung von 25 Fällen von Angriffen auf Kunstwerke machte er deutlich, dass Klimaaktivisten nur für einen recht geringen Teil davon verantwortlich seien. Er schlug ein gestuftes Modell vor, bei dem erst im Wiederholungsfall das Strafmaß erhöht werde, bis hin zu einer Gefängnisstrafe. Bleibe das Strafmaß weiterhin eher gering, bestehe die Gefahr, dass die Zahl ähnlicher Taten steige.

Auf der Gegenseite widerlegte Ann-Sophie Fabritius (9b) souverän das zuvor genannte Argument, es bestehe kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Angriffen auf Kunstwerke und dem Anliegen der Klimabewegung. In vielen Fällen seien Kunstwerke betroffen, die Aspekte einer idyllischen Natur zeigten – wie eben Van Goghs „Sonnenblumen“. Zudem betonte sie, die bereits bestehenden Möglichkeiten, Angriffe auf Kunstwerke zu sanktionieren, seien ausreichend. Wer sich in Deutschland an Kunstwerken vergreift, kann sich einer Sachbeschädigung strafbar machen. In schweren Fällen, wenn etwa Nötigung hinzukommt, droht eine Gefängnisstrafe. Härtere Strafen hielt Ann-Sophie für unverhältnismäßig, da die Relation der Strafe zum Vergehen gewahrt bleiben müsse.

Um die Wahrung der Verhältnismäßigkeit sorgte sich auch Marla Werr (9a). Sie sprach sich für eine Anwendung des bestehenden Maßnahmenkatalogs „in der Breite“ aus. Außerdem müsse auch die Relation zu den Strafen für andere Vergehen beachtet werden. Dass härtere Strafen per se eine abschreckende Wirkung hätten, bestritt sie: Das zeige etwa das Beispiel der Todesstrafe, die in vielen Staaten der USA noch verhängt werde. Trotzdem sei die Kriminalitätsrate in den USA deutlich höher als etwa in Deutschland. Zwar räumte Marla ein, mit Angriffen auf Kunstwerke erzeugten Aktivisten eine negative Form der Aufmerksamkeit, zeigte aber auch Verständnis für deren Gebaren: „Mit harmlosen Mitteln geht es nicht schnell genug voran.“ In vielen Fällen sei zudem noch nicht einmal von Beschädigung, geschweige denn von Vandalismus zu sprechen, da die Kunstwerke hinter Glas aufbewahrt würden.

Die zwei Finalistinnen und zwei Finalisten waren aus dem Halbfinale hervorgegangen, das drei Tage zuvor am Stromberg-Gymnasium ausgetragen worden war und zwei weitere Debatten beinhaltete, ebenfalls zu gesellschaftlich kontrovers diskutierten Themen. Über die Frage „Soll privates Silvester-Feuerwerk verboten werden?“ debattierten Sara Leßlich (9d), Marla Werr (9a), Jovin Besserer (9c) und Mika Pfrommer (9b) engagiert und kompetent. Auch um die Frage „Soll Reiten als Leistungssport verboten werden?“ entspann sich eine packende und lebhafte Debatte zwischen Leni Bollmoor (9d), Ann-Sophie Fabritius (9b), Sophia Zeeb (9c) und Angelo Chronakis (9a).

Angesichts der Qualität der Argumentation hatte die Jury, der außer Frau Pautz und Frau Jeck noch Jon Buchmüller (Jahrgangsstufe 2) angehörte, keine leichte Aufgabe. Letztlich entschied sie sich aber auf der Basis der Kriterien Sachkenntnis, Gesprächsfähigkeit, Ausdrucksvermögen und Überzeugungskraft für die vier Finalistinnen und Finalisten.

Die beiden Schulsiegerinnen Ann-Sophie Fabritius und Marla Werr werden sich in der Regionalqualifikation nun erstmals mit meinungsstarken Schülerinnen und Schülern anderer Schulen messen. Das Interesse an dem Wettbewerb, der seit 2001 besteht, ist gewaltig: Bundesweit treten rund 200.000 Schülerinnen und Schüler an etwa 1400 Schulen gegeneinander an. Ziel des Wettstreits unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten ist es, die jungen Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigene Meinung zu vertreten, sich aber gleichzeitig mit den Meinungen anderer fair und sachlich auseinanderzusetzen. Das Stromberg-Gymnasium, welches das Projekt fest im Schulcurriculum des Faches Deutsch verankert hat, ist in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal mit dabei.

Bericht und Fotos: Sy