„Que c’est beau – wie ist das schön!“, so die einhellige Meinung aller Teilnehmenden am deutsch-französischen Begegnungsprojekt der Fantastikinder bei ihrem Projekthöhepunkt, den gemeinsamen Chor- und Bildaufnahmen in der Vaihinger Stadthalle.
Die Gründe für diese Hochstimmung sind vielfältig: endlich wieder die Vorfreude auf ein direktes Treffen mit Gleichaltrigen aus dem jeweiligen Nachbarland erleben und neue Freunde kennenlernen, endlich wieder ein bunt dekoriertes Buffet für Gäste vorbereiten und unbekannte Spezialitäten probieren, endlich wieder in einem großen Chor ein musikalisches Gemeinschaftsgefühl entwickeln, nach langem Üben das konkrete Ziel direkt vor Augen haben. Mit dabei: Nervenkitzel und volle Konzentration bei den professionellen Studioaufnahmen. Lange ließe sich diese Liste der Momente fortsetzen, die die mitmachenden Schülerinnen und Schüler nach über zwei Jahren „auf Sparflamme“ nun endlich wieder erleben durften.
Zu einem Zeitpunkt, an dem in baden-württembergischen Schulen größtenteils noch ein coronabedingtes Singverbot herrschte, begannen die drei Kolleginnen Bernadette Gall und Christelle Sébillaud (Collège du Kochersberg, Truchtersheim) sowie Carmen Förnzler (Stromberg-Gymnasium, Vaihingen/Enz) beherzt mit ihren Planungen für das mittlerweile vierte Begegnungs- und Aufnahmeprojekt ihrer beiden Schulen. Gegenstand dieser Ton- und Bildaufnahmen bildeten wie in den Vorjahren neue, ins Deutsche adaptierte Lieder der französischen Kinderchöre Enfantastiques. Unter den über 200 Liedern, die unter der Leitung des französischen Musikers und Komponisten Jean Nô im Laufe der vergangenen 20 Jahre in unzähligen Schülerworkshops entstanden sind, hat sich mittlerweile auch ein deutsch-französisches Repertoire von knapp 20 Liedern etabliert und bildet einen festen Baustein innerhalb der grenzüberschreitenden Schülerprojekte „Europa am Oberrhein“ der Académie Strasbourg und des Regierungspräsidiums Freiburg. Von Kindern für Kinder geschrieben, zeichnen sich die Lieder der Enfantastiques neben ihren eingängigen Melodien und dem zum Mitsingen einladenden Charakter besonders durch ihre schülernahen Inhalte aus, denn stets sind es Themen aus dem Umfeld der Kinder und Jugendlichen, die darin ihren Ausdruck finden.
Eine besondere Aktualität erhielt das diesjährige Gesamtprojekt durch den Beginn des Ukrainekriegs – ein Ereignis, das einem bereits lange vor Kriegsbeginn für die Studioaufnahmen vorgesehenen Lied, „Und trotzdem (Et pourtant)“, eine ungewollt große Brisanz verlieh. Ursprünglich in einem Schülerworkshop einer französischen Klasse mit Monsieur Nô in Gedenken an die Verstorbenen der beiden Weltkriege entstanden, erzählt es von zwei jungen Männern, die im ersten Weltkrieg gegeneinander kämpfen müssen, obwohl sie eigentlich viele Ähnlichkeiten besitzen, dieselben Träume hegen, dieselben Ängste teilen – „sie hätten Brüder werden können“. Im März 2022 hatten die beiden Schulen daher aus aktuellem Anlass zu diesem Lied in rein digitaler Zusammenarbeit einen deutsch-französischen „Teaser“ des Refrains entwickelt, um ein Statement für Frieden und Hoffnung zu setzen. Der darin enthaltene Friedensbezug in Verbindung mit den fächerverknüpfenden und interkulturellen Aspekten des Gesamtprojekts wiederum beeindruckte in der Folge den neuen Bildungspartner des Stromberg-Gymnasiums, den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, so sehr, dass dessen Stiftung „Gedenken und Frieden“ einen Kostenanteil am aktuellen Begegnungs- und Aufnahmeprojekt übernimmt und damit das Engagement der Fantastikinder in besonderem Maße würdigt.
Und auch beim gemeinsamen Vortrag von „Und trotzdem (Et pourtant)“ am Begegnungstag im großen deutsch-französischen Chor in der Vaihinger Stadthalle lag eine nachdenkliche, intensive Stimmung in der Luft. Es war den jungen Leuten deutlich anzumerken, dass sie beim Singen dieses Liedes im über dreißigköpfigen deutsch-französischen Chor auch an aktuelle Kriegsgeschehen innerhalb Europas und an anderen Orten der Welt dachten. Neben diesem eindringlichen Appell zum Frieden standen bei den Aufnahmen noch vier weitere deutsche Adaptionen der Enfantastiques auf dem Programm. Der Fantastikinder-Hit „Wachsam sein (Sentinelles)“ ruft zu einem respektvollen und achtsamen Umgang mit den Mitmenschen auf, „Du machst aus mir (Tu fais de moi)“ und „Das blaue Gold (Source de vie)“ werben um einem sorgsamen Gebrauch lebenswichtiger Ressourcen wie Wasser und Holz, und das temporeiche „Irren ist dein Recht (L’Erreur est humaine)“ passt mit seiner Botschaft ganz besonders gut zum bevorstehenden Schuljahresende, indem es eine positive, konstruktive Einstellung zu Fehlern fordert.
Genau diese Erfahrung durften die Projektteilnehmenden auch während der Aufnahmetage machen: zwar waren selbstredend höchste Konzentration und langes Durchhaltevermögen sowohl auf der Bühne als auch in Zeiten des Wartens gefragt. Der Projektleiter sowie sein dreiköpfiges Team am Mischpult und hinter der Kamera behielten jedoch auch bei kleineren Patzern stets ihre gute Laune und zeigten in ihrem Umgang mit den Schülerinnen und Schülern viel Geduld, Motivationsfähigkeit und Wertschätzung.
Pünktlich zum Workshopende konnte so dank des hohen Engagements aller Teilnehmenden im deutsch-französischen Chor „Mission accomplie – Mission erfüllt“ verkündet werden. Noch ganz beeindruckt von den musikalischen, aufnahmetechnischen, fremdsprachlichen und menschlichen Highlights der Aufnahmetage blicken nun alle Projektbeteiligten gespannt auf den Beginn des neuen Schuljahres. Denn bis dahin hat Monsieur Nô das Bild- und Tonmaterial der deutschen und französischen Kinder, darunter unzählige Tonspuren und Videos des Gesamtchores, kleinerer geteilter Chöre sowie zahlreicher Solistinnen und Solisten, zu professionellen Videoclips mit Bild und Ton zusammengemischt. Diese Clips werden auf frei zugänglichen Internetplattformen zu sehen sein und kommen auch weiterhin bei Schülerbegegnungen oder den Vorbereitungen auf Konzerte und Feiern zum Einsatz.
Ideen für künftige Projekte der Fantastikinder gibt es ebenfalls schon, genauso wie begeisterungsfähige junge Sängerinnen und Sänger auf beiden Seiten des Rheins, die nur darauf warten, Neues kennenzulernen, ihre Freude an der Musik und interkulturellen Austausch miteinander zu verbinden und dabei auch aktuelle Themen zu reflektieren. Und dank digitaler Tools wie dem von der Europäischen Kommission initiierten eTwinning-Programm, das die Projektgruppe bereits im laufenden Schuljahr zum gegenseitigen Kennenlernen und sprachlich-musikalischen Austausch in der Vorbereitungszeit genutzt hat, ist vieles sogar ohne direkte Treffen möglich. In einem Punkt sind sich indes alle Projektmitglieder einig: Am schönsten bleibt trotz aller technischen Unterstützungsmöglichkeiten das unmittelbare gemeinsame Singen und Musizieren, bei dem junge Menschen direkt Gemeinschaft erleben, Freundschaften knüpfen und voneinander lernen können.
Bericht und Fotos: Fö
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