„Widerstand – Résistance“ – ein fächerübergreifendes Projekt zum Volkstrauertag

Für einen Auftrag nimmt der jüdische Schauspieler Marcel Marceau die Métro, einmal quer durch Paris. Dann, plötzlich, am dritten Halt, besteigen Uniformierte die Bahn. Deutsche, Gestapo. Passkontrolle! Vos papiers! „Ich versuche meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Du bist nicht umsonst Pantomime, herrsche ich mich innerlich an.“ Zu groß ist seine Angst entdeckt zu werden, nachdem er im nicht von den Deutschen besetzten Süden Frankreichs mitgeholfen hatte, jüdische Waisenkinder zu verstecken und sie so vor der Deportation zu bewahren.

Marcel Marceau ist einer der acht deutschen und französischen Widerstandskämpfer*innen des Zweiten Weltkriegs, die im Mittelpunkt des fächerübergreifenden Projekts der Klasse 10b standen. Die Aufgabe der Jugendlichen war es, sich, ausgehend von historischen Quellen, in die Rolle der Widerstandskämpfer*innen hinein zu versetzen und dramatische, emotionale und auch kämpferische Momente in deren Biographie nachzuvollziehen. Da ist zum Beispiel die Ethnologin Germaine Tillion, die, in einer Kleiderkiste vor den Aufseherinnen versteckt, im Konzentrationslager Ravensbrück Tagebuch schreibt, um Zeugnis abzulegen. Oder der Azubi Walter Klingenbeck aus München, der zusammen mit zwei weiteren Mitstreitern „Feindsender“ hört und der Aufforderung der BBC folgt, Straßenschilder mit dem Buchstaben „V“ für „Victory“ zu bemalen, als Zeichen für den bevorstehenden Sieg der Alliierten. Oder der französische Journalist Jean Texcier, der an seinen nach London emigrierten Freund und BBC-Mitarbeiter Maurice Schumann einen Brief schreibt. Wenn dieser seine Flugblätter zum Thema in einer seiner Radioansprachen machen würde, würden mit einem Schlag noch viel mehr Menschen davon Notiz nehmen! Oder Marie Terwiel, Mitglied eines Spionage-Netzwerks, das von den Nazis unter dem Decknamen „Rote Kappelle“ geführt wurde: Sie unterstützte jüdische Mitbürger*innen ganz unmittelbar, indem sie ihnen – verbotenerweise – Lebensmittelkarten zusteckte.

„Ganz bewusst haben wir vor allem weniger bekannte Widerstandskämpfer*innen für das Projekt ausgewählt“, so die projektbetreuenden Lehrkräfte Nora Oehmichen (Geschichte) und Michael Hofer (Französisch). Im Laufe des Projekts wurde so deutlich, dass Widerstand in vielen Fällen in eher kleinen, unspektakulären Hilfeleistungen für Verfolgte des NS-Regimes bestand, die ebenso konkrete Akte der Rebellion gegen die staatliche Übermacht waren wie die Versuche, der Gewaltherrschaft durch Akte der Gewalt ein Ende zu setzen, wie dies etwa der Kreis um Stauffenberg am 20. Juli 1944 versucht hatte.

Auch wenn viele Aktionen des Widerstands entdeckt wurden und die Widerstandskämpfer*innen dies häufig nicht überlebt haben, machten die teilnehmenden Schüler*innen deutlich, dass auch dieser Widerstand nicht sinnlos war: „Es war wichtig, dass Menschen im Nationalsozialismus Widerstand geleistet haben, da dadurch das diktatorische Regime geschwächt wurde und Menschen, die ebenfalls regimekritisch eingestellt waren, Hoffnung auf ein Ende der Gewaltherrschaft schöpfen konnten“, äußerte sich eine Schülerin in der Abschlussreflexion. Deutlich wurde abschließend auch, dass das Thema Widerstand nicht nur eine Angelegenheit des Gestern ist und sich nicht nur auf Diktaturen beschränkt. Vielmehr stellt ziviler Widerstand angesichts von Menschenrechtsverletzungen oder der Klimakrise auch einen wesentlichen Baustein einer lebendigen Demokratie dar.

Ursprüngliches Ziel des Projekts war eine Performance im Rahmen der Feierlichkeiten zum Volkstrauertag am 15.11.2020, veranstaltet durch den Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge im Neuen Schloss in Stuttgart. Am Volkstrauertag wird alljährlich der Opfer von Terror und Gewaltherrschaft gedacht. Da der Auftritt coronabedingt entfallen musste, wurde nun im Auftrag des Volksbunds ein Film mit den für die Feierstunde geplanten Beiträgen produziert, den Sie hier aufrufen können. Den Beitrag der Schülerinnen und Schüler des Stromberg-Gymnasiums finden Sie ab Minute 17:40. Ein Padlet mit den Porträts der insgesamt acht Widerstandskämper*innen ist aus Datenschutzgründen nur im Moodleraum der Klasse 10b, sowie im Moodle-Lehrerzimmer einsehbar.

Text/Fotos: Michael Hofer / Nora Oehmichen

Standbilder der Schüler*innen

Impressionen aus der Projektarbeit